„Mitarbeiter verlassen keine Unternehmen, sie verlassen Chefs (und Chefinnen).“ Dazu habe ich neulich einen Artikel gelesen. Und das hat mich zum Nachdenken gebracht. Im Artikel ging es zwar nicht speziell um Steuerberatungskanzleien, sondern eher um Großunternehmen – kann und muss man das trotzdem übertragen?
Im Moment ist es ja so, dass die Mitarbeiter, die zu uns kommen sollen, erst mal in der bisherigen Kanzlei unzufrieden sein müssen. Die Frage ist womit? Sind es auch bei uns die ChefInnen, die einen wichtigen Kündigungsgrund darstellen? Und was genau tun oder lassen Sie, um eben kein „guter Chef“ zu sein?
Kündigungsgrund Chef - auch in der Kanzlei
Angela Hamatschek (eine der Moderatorinnen im delfi-net) hat im Rahmen einer Mitarbeiterbefragung Einzelinterviews geführt. Und zwar genau mit MitarbeiterInnen, die kürzlich aus anderen Kanzleien zu einer delfi-net Kanzlei gewechselt haben.
Wir wollten wissen, was diese Mitarbeitenden in den vorigen Kanzleien gestört hat, und warum sie sich dann für eine delfi-net Kanzlei entschieden haben.
Und tatsächlich haben die KollegInnen neben Gründen wie „kürzerer Arbeitsweg“ oder „Umzug“ immer wieder die Unzufriedenheit mit ihren ehemaligen Chefs oder Chefinnen als Kündigungsgrund genannt.
Kündigungsgrund Chef konkret - Welche Erwartungen werden enttäuscht?
Natürlich hat Angela nachgebohrt: „Was genau hat Dich so sehr gestört, dass Du gegangen bist?“
Die genannten Aspekte habe ich Dir in einer Wortwolke zusammen gestellt – und es dabei gleich mal positiv ausgedrückt:
Erschrocken waren wir, weil eben auch menschliche „Mängel“ genannt wurden. Dafür war das Gehalt an sich nicht so ein großes Thema.
In dem Artikel „5 Gründe, warum richtig gute Mitarbeiter kündigen„, den ich dazu gelesen hatte, klang das sehr ähnlich. Wir Mitarbeitende haben uns dann mal zusammen gesetzt, um zu schauen, welche Erwartungen der KollegInnen enttäuscht wurden, ob das auch unsere Erwartungen sind und last but not least, ob wir diese Erwartungen bei unserer Chefin und unserem Chef als erfüllt ansehen.
Fehlende Anerkennung/ Wertschätzung
Hier sind es 3 Punkte, die immer wieder genannt werden:
- Gehalt – muss natürlich passen
Dazu findest Du mehr in meinem Blogbeitrag: „Steuerfachangestelltengehalt – die 3 wichtigen Bestandteile“ Feedback – jeder von uns will schließlich wissen wo er oder sie steht
- Anerkennung – Ein „Danke“ oder ein „gut gemacht“ tut doch keinem (Chef) weh oder?
Offenbar gibt es da aber auch bei den Steuerberatern Nachholbedarf.
Gehaltsmäßig sind wir zufrieden – mehr geht natürlich immer 😉 Manchmal wünschen auch wir uns mehr Feedback: Unsere Chefin ist in unseren Augen manchmal zu nett, während unser Chef die Tendenz hat, immer erst etwas zu sagen, wenn das Kind schon ziemlich tief im Brunnen liegt.
Ich selbst bin ja Mentorin für unseren Azubi Leon. Und auch mir fällt Feedback nicht leicht. Einerseits will ich nett sein, andererseits braucht Leon ab und zu eine klare Ansage …Daher schaue ich mir auf jeden Fall das Steuersmartees Webinar zum Thema Feedback an.
Schließlich will ich an der Stelle sicher nicht, dass Leon nach der Lehre sagt: Kündigungsgrund Chef (in diesem Fall Smartee).
Entscheidungsstark und konsequent
Als Unternehmer haben Chefs die Aufgabe, die wichtigen Dinge in der Kanzlei zu entscheiden. Ob es um strategische Themen wie die Kanzleigröße oder die inhaltliche Ausrichtung oder das Honorar geht: Chefsache.
Es gibt offenbar Chefs, die sich fürs „Nicht-Entscheiden“ entschieden haben.
Eine Kollegin, die vorher 3 Chefs hatte, hat erzählt, dass die Herren sich auch nach 2 Jahren Diskussion nicht auf ein DMS verständigen konnten. O-Ton: „Irgendwann konnte ich meine Chefs einfach nicht mehr ernst nehmen“. Ein ganz besonderer „Kündigungsgrund Chef“ wie ich finde.
Es gibt auf der anderen Seite wohl auch Chefs, die viel anfangen, die Projekte dann aber nicht konsequent zu Ende bringen. Zugegeben, bei manchen Projekten unseres Chefs „ducken“ wir uns auch manchmal weg, weil wir hoffen, er verfolgt es nicht weiter😇 Meine ja sehr erfahrene Kollegin Jutta sagt schon mal lapidar: „Wenn er mir nicht erklären kann, warum das Projekt so toll und wichtig ist, …“
Das allein ist aber noch kein „Kündigungsgrund Chef“😉
Unsere Lösung: Strategietreffen Chefs und Mitarbeitende
Unsere beiden Chefs treffen sich im Sommer immer zum „Strategietreffen“ – vorher holen Sie auch unsere Wünsche und Erwartungen ein.
Mein Tipp: Vor den Strategietreffen machen wir in der Kanzlei eine Umfrage. Jeder darf seinen „Lieblingsmandanten“ und seinen „Stressmandanten“ wählen – frei aus dem Bauch, ohne große Begründung. Mit den Ergebnissen gehen die Chefs in ihre ABC-Analyse unserer Mandanten.
Nach dem Strategietreffen informieren die Chefs uns beim Team Tag über die Entscheidungen und gemeinsam planen wir die nächsten Projekte in der Kanzlei.
Bei der Umsetzung der Entscheidungen ist unsere Erfahrung und Meinung gefragt. Unsere Chefin sagt immer: „Wir entscheiden, wir brauchen Euch dabei als unsere Berater.“
Modern, digital und zukunftsorientiert
Papier ist out – und keiner möchte seine Arbeitszeit mit Scannen vertrödeln. Ich will nicht arrogant klingen, aber dafür hätten wir ehrlich gesagt keine Fachangestellten-Ausbildung machen müssen. Und wir als Mitarbeitende wollen schließlich auch am Ball bleiben. Ich muss noch ca. 45 Jahre arbeiten, da will ich digital fit sein und bleiben. Wenn sich die Chefs nicht entwickeln, sehe ich für mich keine Chance.
Beispiel: Kündigungsgrund Chef - Digitalisierungsverweigerer
Wir haben vor drei Monaten eine neue Mitarbeiterin eingestellt. Julia war vorher in einer Kanzlei, die es schon 40 Jahre gibt – Respekt. Allerdings hatte der Chef dort gar keine Lust mehr, zu digitalisieren. Die Folge: Als Julia zu uns kam, haben wir alle schnell gemerkt, welche „digitale Lücke“ sich da aufgetan hat. Julia muss sich ganz schön umstellen.
Wir haben uns viele Gedanken über Ihr „Onboarding“ gemacht und jetzt hat sie das Gefühl, dass sie weiter kommt. Ich finde, hier hat der „alte“ Chef seine Verantwortung gegenüber seinen Mitarbeitern sträflich vernachlässigt.
Verständnisvoll und unterstützend
Empathie ist wichtig. Auch wenn die Lebenswelt unserer Chefs teilweise sicher von unserer abweicht. Verständnis für unsere Sorgen oder Nöte erwarten wir schon. Uns ist klar, dass es in der Kanzlei in erster Linie um die Arbeit geht. Unsere Mandanten müssen gut unterstützt werden. Auf der anderen Seite ist niemand von uns ein Roboter. Jeder hat mal einen schlechten Tag, an dem sie oder er eben gerade keine Hochleistung erbringen kann. Wir glauben für uns, dass hier der größte Hebel gegen den Kündigungsgrund Chef liegt.
Unsere Chefs unterstützen uns zum Beispiel, indem sie bei den Mandanten, die sich nicht an unsere „Spielregeln“ halten, klar auf unserer Seite stehen. Mehr dazu liest Du im Blogartikel „Spielregeln der Zusammenarbeit“
Fazit: Kündigungsgrund Chef - bei uns nicht wirklich ein Thema
Ich denke, wir können zufrieden sein. Unsere Chefin und unser Chef beziehen uns mit ein und unterstützen uns sowohl fachlich als auch persönlich. Tun sie das zu 100 % der Zeit? Nein. Was für uns gilt, gestehen wir auch ihnen zu: Chefs sind Menschen und daher nicht jeden Tag perfekt. Sonst könnten wir uns ja auch von einem Roboter führen lassen 😉
Zugabe: Gastbeitrag von meinem Chef
Kündigungsgrund Chef? Da wollen wir natürlich nicht gemeint sein. Führung ist echt gar nicht so einfach. Und wie Smartee schon geschrieben hat: Auch wir sind „nur“ Menschen.
Mühe allein genügt da oft nicht. Deswegen haben wir bei der „delfi-net Führungsreise“ mit gemacht. Ulrike Führmann (kein Witz, sie heißt wirklich so), eine anerkannte Führungsspezialistin, hat uns Chefinnen und Chefs in kleinen Gruppen online über sechs Stationen Führungswissen vermittelt. Und in den Break-Out-Sessions hatten wir jede Menge Gelegenheit zum Erfahrungsaustausch – so sind wir es ja auch im delfi-net gewohnt.
Die Stationen? Wir haben an unserem Rollenverständnis gearbeitet, uns über Motivation und Teamdynamiken unterhalten, den scheinbaren Widerspruch zwischen Menschlichkeit und Effizienz beleuchtet, den Umgang mit Widerständen und Konflikten geübt, an unserer klaren Kommunikation gefeilt und uns mit den neuen Trends von New Work und der Auswirkung auf unsere Führung beschäftigt. Zwischen den Terminen haben wir in der Praxis „trainiert“. Was soll ich sagen: Jede Menge Erkenntnisse und neue Perspektiven. Für mich das wichtigste Take Away: Klarheit. Das bringt Sicherheit und Transparenz für unsere Mitarbeiter.
Bin ich jetzt endlich der perfekte Chef? Bestimmt nicht. Mein Ziel ist es, ein „guter Chef “ zu sein. Und dem bin ich aus meiner Sicht ein gutes Stück näher gekommen. Mal sehen, ob mein Team was merkt 😇
Euer Thomas
Bildquellen
- Erwartungen an den Chef: eigen
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