Konzentriertes Arbeiten ist ein Traum, oder? Ohne Störungen endlich mal dran bleiben und viel schneller fertig werden? Unsere Chefs machen das schon immer, „nach Feierabend“ oder am Wochenende. Hört sich für mich nicht besonders attraktiv an. Das muss doch irgendwie auch während der „normalen“ Bürozeit gehen …
Ich zeige Dir in diesem Beitrag, wie wir konzentriertes Arbeiten in unserer Kanzlei fördern.
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Störfaktoren – die üblichen Verdächtigen
Ein Kollege oder Azubi hat eine Frage, das Telefon klingelt und die Mailbox ist schon wieder voll. Zusätzlich musst Du auch den internen Kanzleichat beobachten und das Mandanten-Beleg-Portal möchte auch Deine Aufmerksamkeit. Deine Chefin steht in der Tür: „Können Sie mal eben …“.
OK, so geht es nicht jeden Tag zu, aber doch immer mal. Wir nennen das „facebook analog“ – will heißen: Jeder postet jeden jederzeit zu. Ganz ehrlich: Dabei kann kein vernünftiger Mensch effizient arbeiten. Es gibt Tätigkeiten, bei denen Dir das ganz gut gelingt. Wenn Du Dich aber in eine Aufgabe so richtig „reinfuchsen“ willst, brauchst Du Ruhe für konzentriertes Arbeiten.
Die zerhackte Arbeitszeit
Studien insbesondere aus den USA zeigen, dass Unterbrechungen sowohl die Schnelligkeit als auch die Qualität unserer Arbeit negativ beeinflussen.
Gloria Mark hat in Ihrer Studie herausgefunden, dass wir nach einer Unterbrechung ganze 1.395 Sekunden brauchen, bis wir wieder zu 100 Prozent konzentriert sind – das sind mehr als 23 Minuten . Und die Unterbrechungen kommen bei uns durchschnittlich alle 11 Minuten. Konzentriertes Arbeiten sieht anders aus.
Eine Studie der Michigan State University hat bei einer Unterbrechung von nur 2,8 Sekunden eine Verdopplung der Fehlerquote gemessen.
Wir wissen heute auch, dass Multitasking nicht die Lösung ist – unser Hirn kann das einfach nicht.
Die Lösung: Konzentriertes Arbeiten durch stille Stunden
Tür zu, Fenster zu (alle Bildschirmfenster, die Du für die aktuelle Aufgabe nicht brauchst), Telefon, Chat und Mail still schalten – und los. Zusätzlich ein Schild an die Tür: Ruhe bitte.
Hört sich einfach an? In einem Team solltest Du das nicht ohne Absprache mit Deinen Kollegen und dem Chef tun. Wenn Du dieses Prozedere spontan bei jeder Aufgabe „anleiern“ musst, an der Du konzentriert arbeiten willst, wird das ganz schön aufwendig.
Wir haben uns in Team zusammen gesetzt und eine Strategie entwickelt.
Konzentriertes Arbeiten in 3 Schritten
Das Geheimnis des Erfolges liegt in einer guten Vorbereitung, einer konsequenten Umsetzung und gerade bei stillen Stunden in der Kommunikation.
Hier unsere Ideen:
Schritt 1: Die Vorbereitung – pfiffige Planung für konzentriertes Arbeiten
Wenn jeder im Team spontan stille Zeiten nimmt, endet das nach unserer Erfahrungen ziemlich schnell im Chaos. Hier die wichtigsten Punkte unseres Systems.
• Wochenstunden- und Zimmerplan als Grundlage
Wer ist wann in der Kanzlei? Wer sitzt in welchem Raum zusammen?
Gestaltet die stillen Zeiten raumweise – es nützt wenig, wenn Du „still“ bist, Deine Kollegin im Zimmer aber nahezu ununterbrochen telefoniert.
• Der richtige Zeitpunkt
Montags und Freitagvormittag passen bei uns nicht gut. Die Mandanten kommunizieren dann gern mit uns. Und am Montag haben wir erhöhten Kommunikationsbedarf untereinander – nicht nur privat😇. Wir besprechen Montag Morgen gemeinsam unsere Woche.
Smartee Tipp:
Wir haben uns auch mit unserer Biokurve beschäftigt – im „Suppenkoma“ nach der Mittagspause bietet sich arbeitsmäßig eher leichte Kost an😉. Vormittags zwischen 9:00 und 12:00 Uhr und nachmittags ab 15:00 Uhr sind laut der Forschung ideal für konzentriertes Arbeiten. Das kann bei Dir anders sein – probiere es aus.
• Das richtige Maß – wie lange am Stück
Konzentriertes Arbeiten ist anstrengend. Wir sind es gar nicht mehr gewohnt, uns wirklich länger auf eine Sache zu fokussieren. Bei den meisten Menschen sinkt die Konzentrationsfähigkeit nach 20 und ca. 45 Minuten deutlich ab.
4 Stunden am Stück ist also kein gutes Konzept.
Smartee Tipp:
Verbinde die stillen Stunden mit der Pomodorotechnik, die ich im Blogbeitrag Organisieren statt Chaos – 3 Ideen, die Dich weiter bringen, beschrieben habe.
Mit dieser Technik kannst Du bei drei „Pomodori“ mit entsprechenden Pausen gut 1 ¾ Stunden sehr konzentriert arbeiten und eine Menge schaffen.
• Wichtig: Feste Zeiten statt Spontanität
Plant für jeden zu Beginn zweimal die Woche zwei Stunden ein. Diese sind dann fest im „Stundenplan“ der Kanzlei verankert. Das macht Euch untereinander und auch für die Mandanten berechenbar.
Schritt 2: Die Einführung – gemeinsame Konsequenz
Wie jede Veränderung fühlt sich das Format „Konzentriertes Arbeiten“ erst ungewohnt an. Die Angst vor der Verärgerung von Mandanten, Chef und Kollegen halten manche Mitarbeiter ab, das Programm „durchzuziehen“.
Unsere Erfahrung zeigt: Die Mandanten haben unsere stillen Zeiten ziemlich gut und schnell akzeptiert. Wir selbst waren oft unser größter „Gefahrenfaktor“ für konzentriertes Arbeiten 😇.
Wir sind als Team auf der anderen Seite der größter Erfolgsfaktor, weil wir quasi einen Vertrag geschlossen haben: Wir haben uns gegenseitig „erlaubt“, unsere stille Zeit gegenüber den anderen Kollegen zu verteidigen, ohne dass sie beleidigt sind.
Und unsere Chefabteilung? Die hatten schon etwas zu kämpfen – unsere Chefin hat das ziemlich schnell gut hin bekommen. Sie findet es ziemlich entspannend, dass Sie konzentriert arbeiten kann, ohne dass wir vor Ihrem Schreibtisch Schlange stehen. Unser Chef tat sich da schwerer – er ist ja viel im Außendienst und hat dann zwischendurch „mal kurz“ eine Frage. An einer Lösung dafür arbeiten wir weiter.
Smartee Tipp:
Bei größeren Außenterminen bereiten wir die Unterlagen für ihn jetzt noch besser auf. In unserem DMS könne wir eine Mappe anlegen, in die wir alles legen, was er brauchen könnte. So muss er beim Mandanten nicht dauernd die Programme wechseln, um an weitere Informationen zu kommen. Mittlerweile ist auch die entsprechende Sachbearbeiterin oft mit ihm unterwegs – als persönliche Wissensdatenbank😎.
• Die richtige Arbeit aussuchen
Konzentriertes Arbeiten ist wertvoll. Daher wollen wir diese Zeit nicht an „Pipifax-Aufgaben“ verschwenden. Die normale Buchhaltung machen wir auch gut, wenn wir dabei immer mal gestört werden.
Jahresabschlüsse eignen sich deutlich besser. Endlich „dran bleiben“.
Natürlich gibt es auch in der Buchhaltung Aufgaben, die sich für konzentriertes Arbeiten anbieten. Die Abstimmung von Anzahlungen oder das Einrichten eines neuen Mandanten für die digitale FiBu zum Beispiel.
Smartee-Tipp:
Damit wir die stillen Stunden nicht „verläppern“, haben wir uns für „Konzentriertes Arbeiten mit Ansage“ entschieden. Bei unserem Montags-Briefing sagt jede von uns, was sie in dieser Woche in ihren stillen Stunden bearbeiten wird. So können wir auch gleich mit den Chefs entsprechende Besprechungstermine planen.
• Bitte nicht stören – helfende Signale
Gerade am Anfang ist es uns nicht leicht gefallen, die stillen Zeiten gegenseitig zu akzeptieren. Nicht aus bösem Willen, sondern schlichtweg, weil wir es vergessen haben. Outlook und unsere Telefonanlage zeigen uns zwar, wer sich gerade auf „mute“ gestellt hat, aber wer schaut schon ständig dorthin?
Wir haben gemerkt, dass wir „optische Hilfen“ brauchen.
Smartee Tipp:
Lasst Eurer Kreativität freien Lauf. Es kann der klassische Türhänger „Do not disturb“ sein, den Du aus Hotels kennst. Als ehemalige Berlinerin hat meine Kollegin Jasmin an Ihrer Tür ein rotes und ein grünes Ampelmännchen. Ich selbst bin beim konzentrierten Arbeiten mein größter Feind, weil ich mich so leicht ablenken lasse. Meine Lösung: der Noise Reduction Kopfhörer – so sehen meine Kollegen auch gleich, dass ich gerade nicht ansprechbar bin.
Schritt 3: Die Kommunikation – der Erfolgsbooster
Stell Dir vor Ihr führt konzentriertes Arbeiten ein – und keiner bekommt es mit. Der ultimative Erfolgsfaktor ist die offene Kommunikation mit den Mandanten zu diesem Thema.
• Mandanten informieren: Ruhe bitte
Der erste Schritt ist ein Rundschreiben an die bestehenden Mandanten. Ein Muster findest Du in unserem „Download Kommunikationshilfen konzentriertes Arbeiten“.
Smartee Tipp:
Es dauert nach unserer Erfahrung etwas, bis Ihr Euer passendes Konzept für konzentriertes Arbeiten gefunden habt. Am besten zieht Ihr Eure erste Idee 4 Woche erst mal nur intern durch. Wahrscheinlich ergeben sich noch Anpassungen.
Danach geht das Rundschreiben an die Mandanten raus.
Zusätzlich darf das Konzept auch auf Eurer Website stehen. Der Menüpunkt heißt: Wie wir arbeiten. So können sich auch potenzielle Mandanten gleich ein Bild davon machen, was sie bei Euch erwartet.
• Firewall Sekretariat
Jenny als unsere Orga-Heldin hält uns den Rücken frei. An ihr kommt so schnell keiner vorbei. Die meisten Mandanten akzeptieren es schnell, wenn sie sagt: „Smartee hat gerade stille Zeit, sie ruft sie gerne ab x Uhr zurück. Wo sind Sie dann am besten zu erreichen?“. Einige wenige Mandanten – wir nennen sie gerne die „Diplom-Hektiker“ – versuchen immer mal wieder, sich vorzudrängeln. Für sie ist alles dringend und sie erwarten Sonderbehandlung.
Auch für diese schwierigen Mandanten findest Du im Download „Kommunikationshilfen konzentriertes Arbeiten“ Musterformulierungen.
Smartee Tipp:
Besprecht mit Euren Chefs, ob es tatsächlich VIPs unter Euren Mandanten gibt, die Ausnahmestatus haben. Bei uns waren das tatsächlich nur drei Mandanten. Ansonsten haben wir eher Themen gefunden, die es wert sind, eine Lücke in der Firewall zu lassen: Steuerfahndung, Kontenpfändung und Todesfälle zum Beispiel. Bei diesen Themen sind meist eher die Chefs betroffen.
Also: Konzentriertes Arbeiten ...
… wollen wir uns nicht mehr nehmen lassen.
Uns ist klar, dass wir eine komplett 100-prozentige stille Zeit nicht hinbekommen. Wir haben uns aber schon viel Ruhe für konzentriertes Arbeiten schaffen können. Und das zeigt auch unserer Fristenstatistik.
Du möchtest Dich noch näher mit dem Thema konzentriertes Arbeiten beschäftigen – oder einen Workshop in Deiner Kanzlei machen?
Dafür empfehle ich Dir unseren Online-Kurs Konzentriertes Arbeiten – natürlich für Blog-Leser kostenlos.